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10 Jahre Erfahrungen mit dem KB5
Kittinger Interview
 
Josef Kittinger im Gespräch mit Franz Steinwender.

FS: Das Projekt KB5 ist (so wie viele ihrer Projekte) eine private Initiative außerhalb von Politik, Wirtschaft und großen Institutionen, getragen von den Überzeugungen und dem Engagement einzelner. Wie steht es um solche Formen von zivilgesellschaftliche Engagement und welche Rolle spielen sie aus deiner Sicht für unsere Zukunft?

JK: Das war das, was mich am Projekt KB5 besonders beeindruckt hat. Wenn ich davon erzählte, habe ich immer betont, dass sich da einige engagierte, visionäre Leute zu einer privaten Initiative zusammengeschlossen haben. In einem Dorf in der Oststeiermark, nicht in einer Metropole, wo man derartige Initiativen eher erwarten würde. Solche Projekte werden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Social Business wird eine wichtige Ergänzung sein zu institutionell-öffentlichen Angeboten im Bereich Bildung, soziale und wirtschaftliche Entwicklung, gesellschaftspolitische Bewusstseinsbildung. Denn dazu braucht es unabhängige, freie Menschen, die nicht auf Bewahrung des Bestehenden aus sind, was Institutionen fast automatisch tun. Allerdings müssen dafür auch öffentliche und private Mittel gefunden werden, wenn tragfähige Strukturen gebaut werden sollen. Solche Projekte sind freie, kreative Spielräume, unabhängige, visionäre, utopische Entwicklungslabors. Die Zukunft ist aber oft ein unbequemer Ort, an dem man warten muss, bis die anderen nachkommen.

FS: Wie entstanden, wo hats gezündet Wie ist es zur Mitwirkung am KB5 (oder zur Zusammenarbeit mit dem KB5) gekommen? Erinnerst du dich noch an den ursprünglichem Kontakt, das entscheidende Gespräch? Was war der zündenden Impuls?

JK: Begonnen hat es für uns mit den ersten Tagen der Utopie im Jahr 2003. Franz Nahrada referierte über „Die Vision der globalen Dörfer“. Das hat uns fasziniert.
In Gesprächen erzählte er von der Initiative in Kirchbach, die sich in Richtung dieser Vision auf den Weg gemacht hat. Uns interessierte, was daraus geworden ist. Und so war es eine aufgelegte Gelegenheit, bei den Tagen der Utopie 2005 diese Vision auszuprobieren: Wir übertragen die Vorträge der Festivalabende live nach Kirchbarch. Aber nicht oneway, sondern in Videokonferenzschaltung. Wie in Arbogast trafen sich jeden Abend auch in Kirchbach Interessierte und tauschten sich über Themen aus und stellten Fragen an die Referierenden und teilten ihre Erfahrungen zu den Themen.

FS: Was waren die Highlights, was ist geblieben? Welche unter den Aktivitäten war besonders bemerkenswert oder hat einen speziellen Platz in deinen Erinnerungen? Was war das für ein Projekt oder Veranstaltung und welche Ziele waren damit verbunden? War es ein Erfolg oder ein Scheitern? Konnte man daraus etwas lernen bzw. was hat sich dadurch verändert?

JK: Faszinierend war für mich zunächst einmal die gelungene technische Abwicklung der Videokonferenz durch das kleine Team von KB5. Ein großes Potential für die Zukunft wurde sichtbar: unabhängig von großen Medienunternehmen können Inhalte von Veranstaltungen und Projekten weltweit, in jedes Dorf, aus jedem Dorf, übertragen, geteilt werden. Die Verbindung zwischen den Versammelten in St. Arbogast und Kirchbach war ein echter Mehrwert. Sie machte erlebbar, dass geteiltes Wissen und Austausch auf Augenhöhe die Perspektiven erweitert. Einen speziellen Platz in meinen Erinnerungen haben die steirischen Äpfel, der Schinken und der Weißburgunder, den die Kirchbacher den Gästen in Vorarlberg mitbrachten, als Gegengabe für die zur Verfügungstellung des gesamten Programms und Konzepts des Festivals.

FS: Beispielswirkung, Menschen begeistern? Wie leicht oder schwer findest du es, Menschen für gemeinsame Projekte anzusprechen und zu begeistern? Hat das KB5 dabei Dinge erwähnenswert gut gemacht, und was ist vielleicht misslunden? Gibt es dazu besondere Erkenntnisse, wie das gelingt oder eher nicht gelingt? Welchen Rat kannst du jemanden geben, der heute in ähnlicher Weise ein neues gemeinschaftliche Projekt angeht, und dafür Unterstützer gewinnen möchte?

JK: Ausgangspunkt ist immer die persönliche Begeisterung für eine Idee, die Resonanz findet bei anderen. Zunächst bei Freunden und Kolleginnen. Dieses Feuer der Begeisterung ist die Voraussetzung, dass der Funke überspringt, dass eine Vision Kraft gewinnt und anzieht. Als weiterer Schritt ist wichtig, dass die Begeisterung auch Geld anzieht und Ressourcen findet, um Ideen auch gut umsetzen zu können. Bei uns war das spezielle Sponsoringkonzept ein Schlüssel für den Erfolg. Unsere Sponsoren sind nicht Spender, sondern Partner. Manche betonen, dass sie stolz sind, Partner der Tage der Utopie zu sein. Wir teilen Werte. Und für die Mitfinanzierung des Festivals erhalten sie attraktive Gegengaben: Freikarten für Festivalabende und Workshops, Tagungsbände und Musik-CDs für Mitarbeiterinnen und Kunden. Zu diesbezüglichen Highlights gehört, wenn heuer der Geschäftsführer, der mit den leitenden Mitarbeitern seines Unternehmens teilnahm, nach dem Abend sagt: „Das war jetzt genau der richtige Impuls zur rechten Zeit. Wir haben fast unsere Vision vergessen, jetzt haben wir uns wieder daran erinnert und werden diese im Unternehmen weiter leben. Wir haben die Richtung wiedergefunden.“

FS: Hat sichs gelohnt? Wenn du zurückschaust auf deinen Arbeitsaufwand im Bezug auf das KB5 betrachtest, und das was damit erreicht wurde - für das Haus KB5, für Kirchbach, für die Umgebung, für Besucher oder Leute die über das Internet daran teilgenommen haben, aber vor allem auch für dich selbst und deine Ziele, oder für deine persönliche Entwicklung und deinen je individuellen Lern- oder Lebenweg. Hat sich das gelohnt? Ist das etwas, was man jemand empfehlen kann? Oder ist das vergebliche Liebesmüh oder unbelohnter Idealismus?

JK: Es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich möchte diese Erfahrungen nicht missen. Die Freude an der Zusammenarbeit und der (damals eher) kühnen, pilothaften Umsetzung einer Vision bleibt. Schade, dass wir die Kooperation wegen mangelnder Ressourcen nicht fortsetzen konnten. Weder konnten wir uns stärker um die Durchführung der Videokonferenz kümmern, noch konnte KB5 die finanzielle Unterstützung finden, die ein solch großes Projekt braucht. Im Unterschied zu KB5 werden die Tage der Utopie mit dem Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast von einem starken, gut eingeführten und zukunftsorientierten Bildungsanbieter getragen, der sich mit der Expertise des freien Kurators Hans-Joachim Gögl geglückt verbindet. Derartige Partnerschaften sind sicher vorteilhaft für das längerfristige Gelingen von solchen Projekten.

FS: Uni im Dorf? Das Projekt KB5 stand ja speziell für eine Vision, die sich umschreiben ließe mit: Bildungsmöglichkeiten im weitesten Sinn durch das Internet nicht nur an den einzelnen zu Hause, sondern in eine speziell fürs Lernen, für Begegnung und fürs gemeinsame Verdauen geeignete Umgebung zu bringen. Glaubst Du dass diese Vision Zukunft hat?

JK: Ja, das hat Zukunft. Inzwischen gibt es ja schon viele Online-Konferenzen. Viele beschränken sich aber vorwiegend auf das Übertragen von Vorträgen und die Online-Kommunikation. Das direkte Treffen und der Live-Dialog in einer Gruppe ist eine wirksame Form des gemeinschaftlichen Erkundens und Lernens. Dieses führt auch viel öfter zu konkretem Handeln. Es gibt mittlerweile tolle Beispiele kombinierten Lernens, in kleinen lokalen Gruppen und mit Vernetzung mit dem besten Wissen der Welt, wie zum Beispiel das Ulab des Presencing Instituts: https://www.presencing.org


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